Gerade hat das neue Ausbildungsjahr begonnen. Allerdings macht der häufig diskutierte Fachkräftemangel auch beim Nachwuchs nicht halt: Es gibt wesentlich mehr Stellenangebote als interessierte Bewerber. Daher blieben viele Ausbildungsplätze auch nach dem 1. September unbesetzt. Wie der SWR mit seinen aktuellsten Zahlen berichtet, war Ende Juli 2023 in Baden-Württemberg fast jede zweite Ausbildungsmöglichkeit noch nicht vergeben – 35.000 von insgesamt 75.000 Stellen. Im Schnitt kommen bundesweit auf 100 offene Stellen nur 55 Bewerber.
Hintergrund ist vor allem der demografische Wandel: Heute gibt es rund 100.000 Schulabgänger weniger als noch vor zehn Jahren. Dies bedeutet in Zukunft eine sich noch vergrößernde Lücke, da jährlich bald 400.000 mehr Menschen den Arbeitsmarkt in Deutschland verlassen als neue Arbeitnehmer hinzukommen. Schon heute ist es so, dass Bewerber in vielen Betrieben nicht mehr Schlange stehen müssen, sondern die Firmen für die jungen Menschen besondere Anreize und neue Arbeitszeit-Modelle schaffen, um ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Darüber hinaus streben immer mehr Schulabgänger ein Studium anstatt eine Ausbildung an.
Ausbildungsplätze: Noten nicht das Entscheidendste
Allerdings sei laut SWR auch ein Aufwärtstrend festzustellen: In diesem Jahr habe es auf dem Ausbildungsmarkt insgesamt etwas mehr Bewerber gegeben als noch 2022. Aufgrund des verbreiteten Bewerbermangels stehen die Chancen für alle, die jetzt noch einen Ausbildungsplatz suchen, gut. Denn: Viele Betriebe stellen auch jetzt, im fortgeschrittenen September, noch Azubis ein.
Im Gegensatz zu früher sind mäßige Schulnoten dabei kein Ausschlusskriterium. Während es sich Firmen aufgrund der vielen Bewerber in den vergangenen Jahrzehnten oft noch leisten konnten, die Ausbildungsplätze nur mit den besten Kandidaten zu besetzen, ist heute vor allem entscheidend, dass die jungen Leute Interesse an ihrem Fachbereich haben sowie leistungsbereit und motiviert sind.
Corona-Krise hat Ausbildungsmarkt beeinflusst
Besonders gute Chancen für alle, die jetzt noch einen Ausbildungsplatz suchen, gibt es in Jobs, die sich mit Zukunftsthemen, wie zum Beispiel Digitalisierung oder Nachhaltigkeit im Klimasektor auseinandersetzen. Aber auch im Dienstleistungsbereich – wie etwa in der Gastronomie – sind noch jede Menge Ausbildungsplätze unbesetzt. Aufgrund geschlossener Restaurants und Bars während der Corona-Krise haben viele Beschäftigte ihren Betrieben den Rücken gekehrt. Sie sind nun in anderen Berufsfeldern beschäftigt. Daher suchen besonders Hotel- und Restaurantbetreiber händeringend nach Nachwuchs.
Suche nach Ausbildungsplätzen: Jobs für Last-Minute-Azubis
Wer auch nach dem Ausbildungsbeginn am 1. September noch einen Ausbildungsvertrag abschließen möchte, hat in den folgenden Branchen gute Chancen. Dies gilt vor allem in ländlichen Gegenden, da dort freie Ausbildungsplätze noch seltener besetzt werden als in der Stadt.
- Handel: Verkäufer und Kaufleute im Einzelhandel und Handelsfachwirte
- Baugewerbe: Bauarbeiter, Isolierer, Zimmerer und Glaser
- Technik: Elektroniker für Betriebstechnik, Mechatroniker und Industriemechaniker
- Erziehungswesen: Kinder- und Heimerzieher
- Hotel- und Restaurantgewerbe: Köche und Restaurantfachleute
- Lebensmittel: Fachverkäufer und Fleischer
- Technik: Elektroniker für Heizungs-, Klima- und Betriebstechnik, Mechatroniker und Industriemechaniker
- Gesundheitswesen: Pflegekräfte sowie Sozialversicherungsfachangestellte mit der Fachrichtung Allgemeine Krankenversicherung
Wenn offene Stellen und Ausbildungsplätze langfristig unbesetzt bleiben, gefährdet dies die Zukunft der betroffenen Betriebe. Firmen mit nur wenigen Beschäftigten haben besonders mit Nachwuchsmangel zu kämpfen. Schon jetzt haben gerade kleine Handwerksunternehmen Probleme, einen Nachfolger zu finden. Wenn dann der Geschäftsführer das Unternehmen aus Altersgründen verlässt, bedeutet dies meist das Ende der Firma.
Von Daniel Hagmann