Informatiker gelten gemeinhin als Schreibtisch-Nerds, die isoliert in einem Paralleluniversum aus Bits und Bytes an ihrer eigenen Welt basteln. Die NSA-Affäre brachte die Branche in den medialen Fokus. Mittlerweile gibt es an der Hochschule Mannheim sogar einen Cyber-Security-Studiengang.
Laut Bitkom-Präsident Achim Berg sind 124 000 Stellen in der Informatik-Branche bundesweit unbesetzt. „Berufschancen male ich mir reichlich aus, da habe ich keine Angst“, sagt Sisko Zabler. Der 24-Jährige studiert im dritten Semester Cyber Security an der Hochschule Mannheim. Mit dem Bachelor-Studium öffnen sich dem Kurpfälzer zahlreiche Türen. „Die Cyber-Abwehr der Bundeswehr hat großes Interesse“, beschreibt Studiengang-Leiter Professor Sachar Paulus die Optionen, „wir sind hier aber auch eng mit der Wirtschaft verbunden, mit den USA und Fernost. Aber die Studis können ihre Fähigkeiten natürlich auch für die schlechte Seite einsetzen.“

Vertrauen spielt eine ganz wichtige Rolle
Von der hellen und der dunklen Seite spricht auch Sisko Zabler. Und er bestätigt ein weit verbreitetes Vorurteil: „Im Prinzip kann man hier und da mal etwas hacken, ins Darknet stellen und schon bekommt man zwielichtige Angebote aus Russland oder China.“ Genau deshalb hebt Paulus die „ethische Komponente der Lehre“ hervor. „Wir müssen die jungen Leute für ihre Verantwortung sensibilisieren.“ Dabei helfen auch die rosigen Perspektiven in der Privatwirtschaft. „Das Personal ist meist handverlesen, Vertrauen spielt eine ganz wichtige Rolle“, schildert Paulus, „das wird mit einem entsprechenden Einstiegsgehalt honoriert.“
Dass Informatik vielmehr ist, als Einsen mit vielen Nullen dahinter, merkt man Zabler an. Im Smalltalk wandern seine Augen rastlos durch den Raum, spricht er aber von der Technologie, leuchten sie förmlich: „Was mich fasziniert, ist die Endlosigkeit der Technik. Du hast einen Computer und Milliarden von Möglichkeiten.“ Genau das ist Fluch und Segen des Metiers. Für ein Pentesting-Seminar war es Zablers Aufgabe, eine Website zu basteln und bewusst Fehlerquellen einzustreuen. Dann begann die Piraterie. Die Teilnehmer versuchten, die Lecks der Kommilitonen zu ermitteln und ihre Verteidigungslinie zu überwinden. Gegenseitiges hacken als Hausaufgabe. „Das macht unglaublich Spaß. Die Programme, die wir im Seminar laufen lassen, sind illegal“, sagt Zabler grinsend, „aber zu Übungszwecken machen wir das hier im lokalen Netzwerk.“

Die reinen Nerds studieren lieber Informatik
Das nächste Semester steht im Zeichen einer Wirtschaftskooperation. „Sehr einträgliche Nebenjobs sind nach solchen Projekten die Regel“, sagt Professor Paulus, insofern sei es schwer, alle Studierenden zu halten. „Die reinen Nerds studieren lieber Informatik. Wir haben Quereinsteiger, Gamer und Leute, die gehackt haben. Sicherheit ist eine Anwendungsdomäne, sehr zweckorientiert. Wir haben auch einen gesellschaftlichen Auftrag“, merkt der Professor an.
Insofern überrascht es nicht, dass Zabler Whistleblower Edward Snowden, der die Totalüberwachung durch die NSA aufdeckte, zu Unrecht am Pranger sieht. Zwar verstieß er gegen das Berufsethos, „aber es muss jemanden geben, der diese Sachen ans Licht holt und die Öffentlichkeit aufklärt“. Mit der Digitalisierung der Gesellschaft verschmelzen die Paralleluniversen immer mehr. Gut also, dass Menschen wie Zabler beide verstehen.
Beitrag von Sebastian Kohler