Diese Schule hat in Heilbronn gefehlt: In der Susanne-Finkbeiner-Schule (SFS) finden Jugendliche eine Perspektive, deren Zukunft sonst wenig rosig wäre. Ein Anker für Schüler*innen, die die Förderschule ohne Hauptschulabschluss verlassen, die oft keinen geradlinigen Lebensweg und keine Unterstützung haben. „Wir nehmen auch Schüler*innen, die sonst keiner will“, sagt Schulleiter Ludwig Müller. Die Jugendlichen können einen Bildungsabschluss entsprechend ihren Fähigkeiten erreichen.
Vertrauen schaffen
Dafür müssen sie sich genauso an Regeln halten und lernen wie andere auch. Wer Vorgaben nicht respektiert, schafft auch hier keinen Abschluss. Fehlzeiten werden streng kontrolliert, gegenseitiger Respekt ist die Voraussetzung für das Miteinander. „Die Schüler*innen sind dafür offen, aber man muss kleine Schritte gehen“, sagt Schulsozialarbeiterin Tatjana Hampp. Ihre wichtigste Aufgabe: „Ich höre zu.“ Egal ob es um ein kaputtes Handy, einen Arzttermin oder Schulprobleme geht.
Viele Jungen und Mädchen haben zu Hause keine Ansprechpartner*innen, weiß Hampp. Sie nimmt jedes Problem ernst, stempelt niemanden ab und schafft Vertrauen. „Die Schüler*innen merken, dass sich jemand wirklich um sie kümmert„, erklärt Ludwig Müller.
Neue Chance
Er hat die Privatschule mit gegründet. Dabei war der ehemalige Rektor der Heilbronner Wartbergschule damals längst im Ruhestand. „Nach zwei Jahren habe ich gemerkt, mir fehlt was“, erzählt der 70-Jährige. Gemeinsam mit Vertreter*innen der Aufbaugilde und des Schulamtes reifte die Idee, eine Schule für ehemalige Sonderschüler*innen zu gründen, ihnen die Chance auf eine Persönlichkeitsentwicklung und eine Ausbildung zu geben. Die Vision wurde Wirklichkeit, finanziert über Spenden, nicht mit Schulgeld. Das Land zahlt die Lehrergehälter und die üblichen Zuschüsse.
Bezug zur Praxis
Drei Klassen gingen vor fast fünf Jahren an den Start. Im ersten Jahr schafften 28 von 34 Schüler*innen ihren Hauptschulabschluss – deutlich mehr, als alle Beteiligten gehofft hatten. Heute hat die SFS sieben Klassen im Bereich Sonderberufsfachschule, in der Schüler*innen aus Sonderpädagogischen Bildungszentren den Weg zum Abschluss einschlagen.
Außerdem gibt es so genannte VABO-Klassen für Jugendliche mit geringen Deutschkenntnissen und die AV-dual-Klassen mit dem Ziel mittlere Reife. Das besondere an der „Ausbildungsvorbereitung dual“, die eine zweijährige Berufsfachschule anbietet, ist der Praxisbezug. Jede Schülerin und jeder Schüler verbringt einen Tag pro Woche im Praktikum. Zwei Begleiter*innen kümmern sich eigens um die Betreuung und die Vermittlung, bis zu 190 Plätze werden jedes Jahr gebraucht. Den Jugendlichen bringt das Einblicke in die Arbeitswelt und im besten Fall auch einen Ausbildungsplatz.
Passende Angebote
„Die Schule ist auf einem guten Weg„, sagt Schulleiter Ludwig Müller. Und der Weg ist noch nicht zu Ende: Ab September startet die zweijährige Berufsfachschule für Alltagsbetreuer. Dort haben diejenigen die Chance auf einen Abschluss, die die Hauptschule nicht schaffen. Auch Ludwig Müller weiß, dass aus schulmüden Kindern nicht einfach fleißige junge Erwachsene werden. „Wir dürfen nicht nachlassen„, betont der Schulleiter. Es gebe niederschwellige Angebote, kleine Klassen und „Gespräche, Gespräche, Gespräche“.
Perspektivisch soll es an der SFS ein weiterführendes Berufskolleg und eine Oberstufe geben. „Mit passenden Angeboten für jeden, unabhängig von Herkunft, Religion und aktuellem Bildungsstand, trägt die Schule einen großen Teil dazu bei, alle mitzunehmen„, sagt Ruder-Olympiasiegerin Carina Bär. Die Bad Rappenauerin ist Botschafterin der SFS und davon überzeugt: „Bildung ändert alles.“
Einer der Schüler in der AV-dual-Klasse, die sich derzeit auf ihre Prüfungen vorbereitet, sieht das genauso: „Wer mehr lernt, hat mehr Möglichkeiten„, erklärt er. Wenn nur die Interpretationsaufgaben nicht wären. Die gehören auch in der SFS zur mittleren Reife. „Geschenkt bekommt hier keiner was“, sagt Deutschlehrerin Ajla Coric. „Meine Noten sind real„, betont sie. Der Unterricht sei anspruchsvoll, „aber ich will, dass alle das gut machen“. Wer bei ihr besteht, schaffe es auch anderswo.