409608
Teilen Drucken

Standesbeamter/-in

Schwüre und Wortbrüche

Der 23-jährige Fabian Ferrante ist Standesbeamter und spricht über seine Erfahrungen im Beruf. Auch er selbst hat das Ja-Wort bereits ausgesprochen.

409608

Ihm sitzt der Schalk im Nacken. Fabian Ferrante kann aber auch ernst sein. Ein seriöses Auftreten gehört für den Standesbeamten in Weinsberg dazu, wenn Paare Ja sagen. Welchen Wert hat ein Versprechen für die Ewigkeit?

Für immer

Kinder halten drei Finger in die Höhe und sagen: „Ich schwöre“ oder „versprochen“. Haben Sie das als Kind auch gemacht?

Fabian Ferrante: Ja, als Kinder haben wir uns ewige Freundschaft geschworen. Wir haben uns gegenseitig versprochen, immer zum anderen zu stehen und uns zu helfen.

Hat die Freundschaft gehalten?

Ferrante: Ich habe keinen großen, aber einen engen Freundeskreis, der seit der Schulzeit besteht, dazu gehört mein bester Freund. Unsere Freundschaft entwickelte sich etwas auseinander. Da hat das Versprechen aus der Kinderzeit pausiert (lacht) . Irgendwann kam eine Nachricht von ihm. Wir haben uns getroffen, und es war wie immer. Er war mein Trauzeuge.

Wie sehen Sie das: Geben auch Erwachsene noch Versprechen ab?

Ferrante: Ich denke, unbewusst geben wir als Erwachsene viele Versprechen ab. Ein Arbeitsvertrag beispielsweise ist doch auch so etwas wie ein Versprechen. Als Standesbeamter habe ich mich verpflichtet, im Sinne des Bürgermeisters, im Sinne der Stadt zu handeln. Mir selbst habe ich versprochen, dass ich für meine Brautpaare ganz da sein werde. Auch meinem Mann habe ich etwas versprochen: Dass er das Wichtigste in meinem Leben ist und ich viel Zeit mit ihm verbringe.

Viele Verpflichtungen

Wie bringen Sie diese Versprechen unter einen Hut?

Ferrante: Ich muss einen Kompromiss finden. Beispiel: Als ich als Standesbeamter anfing, hieß es, ich müsse keine Samstagstrauungen machen, die übernehme ein ehemaliger Standesbeamter. Es ist aber doch so: Paare kommen zu mir aufs Rathaus und melden die Hochzeit an. Wir lernen uns kennen und sie fragen: „Können Sie nicht die Trauung machen?“ Ich habe meinem Arbeitgeber und mir selbst ein Versprechen gegeben. Ein Versprechen ist eine Verpflichtung. Also mache ich Samstagstrauungen. Mein Job ist mir wichtig, mein Mann ist mir wichtig. Wenn privat etwas ansteht, nehme ich samstags aber auch mal frei.

Gibt es etwas, dass Sie sich selbst versprochen haben im Sinne einer Lebenseinstellung?

Ferrante: (überlegt) Ich will niemals so erwachsen werden im Kopf wie andere. Es gibt Menschen, die sind ernster als ernst. Ich finde, jeder sollte das Kind in sich behalten. Mal Quatsch machen, mal zu den Kolleg*innen ins Büro gehen und laut singen. Ich bin erwachsen, ich bin ernst. Ich weiß auch, was im Leben wichtig ist. Ich will trotzdem ein Quatschkopf sein. Ich will kein alter Mann werden, der nur motzt.

Welches Versprechen haben Sie gebrochen?

Ferrante: Ich erinnere mich an etwas, das für mich eine Kleinigkeit war. Ich hatte jemandem versprochen, etwas zu erledigen. Ich habe es nicht gemacht. Der andere war stinksauer. Ein Versprechen hat mit Wertschätzung zu tun. Wenn ich es breche, wirkt das auf den anderen so, als sei er mir nicht wichtig.

Liebe gehört dazu

Welche Erfahrung machen Sie als Standesbeamter: Was versprechen sich Paare heutzutage?

Ferrante: Es passiert grundsätzlich immer seltener, dass sich Paare vor dem Jawort etwas sagen wollen. Trotzdem glaube ich, dass sie sich etwas für die Ehe vornehmen. Ich habe mit meinem Partner auch nicht groß darüber gesprochen, was wir uns versprechen.

Welches Versprechen haben Sie ihm unausgesprochen gegeben?

Ferrante: Immer an seiner Seite zu sein. Egal in welcher Lebenslage, ob gesund, krank, arm, reich. Egal, was er durchmacht, was ich durchmache. Egal, was ist, egal, was kommt: Ich bin an seiner Seite.

Bekommt das Versprechen größere Bedeutung, weil es vor dem Gesetz gegeben wird?

Ferrante: Ich denke, ja. Ich kann es nicht beschreiben, man fühlt sich noch verbundener. Unabhängig davon, in welche Richtung sich eine Beziehung bewegt, bleibt das Versprechen, zusammenzubleiben. Die Liebe kannst du aber nicht versprechen, das geht nicht. Ich bin vielleicht ein unverbesserlicher Romantiker. Ich glaube an die große Liebe. Abgesehen von einer Zwangsehe und derartigen Ausnahmen – bei jeder Ehe ist Liebe in irgendeiner Form vorhanden.

Die entscheidende Frage

Sie sagen, Liebe kann man nicht versprechen. Es ist also denkbar, dass Sie oder Ihr Mann wortbrüchig werden.

Ferrante: Am Anfang einer Beziehung steht das Verliebtsein, die Begeisterung für den anderen. Dann kommt der Alltag. Dabei stellt sich entweder heraus, dass es nicht klappt, oder man merkt: Ich möchte nicht mehr ohne den anderen sein. Welche Zukunft ich mir auch ausmale, mein Partner ist immer Teil davon.

Wer hat eigentlich wem den Heiratsantrag gemacht?

Ferrante: Ich ihm. Wir sind zusammengekommen, da war ich 16. An unserem ersten Jahrestag waren wir in den Museumsstuben in Neckarsulm essen. Es gab Musik, Kerzen, Rosenblätter, so richtig kitschig. Dann bin ich auf die Knie. Aber nicht total, was mein Mann mir heute noch vorhält. Ich hatte eine weiße Hose an und wollte nicht, dass sie einen Fleck bekommt (lacht).

Es ging doch gut aus.

Ferrante: Mein Mann ist Banker und sagte: „Ja. Aber wir heiraten erst, wenn wir das Geld zusammenhaben.“

Dieses Versprechen haben Sie beide gehalten. Hatten Sie in der langen Verlobungszeit Zweifel?

Ferrante: Die schwierigste Zeit war wohl, als ich die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten machte. Ich hatte nur meine berufliche Zukunft im Kopf. Wir haben gestritten, auch mal zwei Tage nicht miteinander gesprochen. Aber: Er war immer da. Ich habe nie gezweifelt, dass wir unser Eheversprechen einlösen.

Ängste und Zuversicht

Sie bekommen es als Standesbeamter mit, wenn Paare ihr Ehegelöbnis brechen, sich scheiden lassen. Was denken Sie darüber?

Ferrante: Manchmal muss ich an eine Figur von Hape Kerkeling denken, die sagt: „Liebe ist Arbeit, Arbeit, Arbeit.“ Bei allen Paaren, die ich bisher getraut habe, kam der Moment, wo sie sich anschauten und ich spürte: Da ist etwas, das ich als Außenstehender nicht beschreiben kann. Bei Scheidungen frage ich mich oft, wo das, was mal da war, hin ist. Wann ist es verloren gegangen? Bei einer Beziehung ist es möglich, dass sie scheitert. Nicht nur, weil man sich trennt. Der Partner kann sterben. Das zu sehen, macht mir manchmal auch Angst.

Was haben Sie sich für die Ehe vorgenommen?

Ferrante: Ich habe mir vorgenommen, am Ball zu bleiben, nie das Interesse an meinem Mann zu verlieren. Ich will ihn nie als selbstverständlich ansehen. Ich lerne ihn noch heute immer wieder neu kennen.

Wann zum Beispiel?

Ferrante: An unserer Hochzeit. So wie an diesem Tag habe ich meinen Mann noch nie gesehen. Sonst ist er eher der Ernste. Er ist auch nicht der große Tänzer. Er stellt sich höchstens hin und tippelt ein bisschen. Bei der Hochzeit aber war er nur am Tanzen. Er war frei. Er war locker. So gelöst habe ich ihn noch nie erlebt.

Passende Themen