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Im Rhythmus wider der Natur

Der Arbeitsmediziner Gerhard Laun klärt im Interview über die Risiken von Nachtarbeit auf und gibt Tipps, wie es weniger schädlich sein kann, nachts zu arbeiten.

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Schichtarbeit mit regelmäßigem Nachteinsatz „ist grundsätzlich für jeden Menschen schädlich„, stellte das Bundesverfassungsgericht schon 1992 fest. Es gibt jedoch Verhaltensweisen und Maßnahmen, durch die der Arbeitseinsatz bei Nacht leichter zu verkraften ist. Anna-Lena Sieber hat den Arbeitsmediziner Gerhard Laun dazu befragt.

Herr Laun, Sie bieten Beratungen in Firmen an – sowohl für Mitarbeiter*innen als auch für die Unternehmer*innen selbst. Wie viele Menschen kommen wegen Problemen mit Nachtarbeit zu Ihnen?

Es ist erstaunlich, wie wenige deshalb in meine Beratung kommen. Ich bin jetzt seit über 25 Jahren als Arbeitsmediziner tätig und habe überwiegend in Großunternehmen gearbeitet, in denen alle Schichtformen vorkommen. Wir haben in den letzten Jahren eine Wunschvorsorge für Schichtarbeiter*innen angeboten. Da sind so gut wie nie Leute gekommen. In den meisten Unternehmen findet Nachtschicht auf rein freiwilliger Basis statt. Das könnte ein Grund dafür sein.

Wir sprechen allgemein von einer inneren Uhr. Was genau ist darunter zu verstehen?

Es gibt hormonell gesteuerte Rhythmen, beispielsweise durch Cortisol. Man hat Studien mit Leuten in Bunkern gemacht. Diese hatten keinen Kontakt zu Licht. Die Forscher*innen haben untersucht, wie da der Schlaf-Wach-Rhythmus ist. Obwohl die Leute weder eine Uhr, noch Kontakt zur Außenwelt hatten, kam ein ungefährer 24-Stunden-Rhythmus dabei raus. Auch die Schlaf- und Wachzeiten entsprachen ungefähr der Uhr. So hat man herausgefunden: Diese Rhythmen sind biologisch vorhanden.

Wie wirkt sich in Anbetracht dessen Nachtarbeit auf den Körper aus?

Nachtarbeit erzeugt Stress. Man muss gegen die eigene Natur arbeiten. Das können manche Menschen besser verkraften als andere, die nur ganz schlecht damit zurechtkommen.

Gibt es typische Krankheiten, die durch Nachtarbeit entstehen können?

Das ist mir so nicht bekannt. Meistens ist es eher so, dass Krankheiten verschlimmert werden. Menschen, die zum Beispiel einen schlecht einstellbaren Blutdruck haben, brauchen ein geregeltes Leben. Auch wer psychische Probleme hat, ist im Regelfall nicht nachtschichttauglich.

Wie sieht eine gute Regelung der Nachtarbeit von Unternehmerseite aus?

Da spielen verschiedene Interessen eine Rolle. Die Mitarbeiter*innen selbst wollen ja möglichst ihr soziales Leben weiterführen können. Dafür müssen die Schichtsysteme stimmen. Die Wissenschaft empfiehlt die Vorwärtsrotation, also Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht und dann eine Freischicht. Und es sollten keine großen Blöcke Nachtschicht sein. Das wird schlecht vertragen, weil der Körper sich nicht wirklich umstellt. Es braucht eine ganz lange Zeit, bis das passiert. Deshalb sollte man nur zwei, maximal drei Nächte am Stück Nachtschicht machen. Außerdem sollten die Nachtschichten nicht zu lange sein. In Rettungsdiensten sind es oft zwölf Stunden Nachtschicht, das ist nicht so günstig.

Ist es dann gesünder dauerhaft nachts zu arbeiten, als die Schichten zu wechseln?

Es gibt Menschen, die das lieben. Vor allem in Krankenhäusern. Da gibt es Pflegefachkräfte, die Dauernachtschicht machen. Die machen dann zehn Tage am Stück, haben dann 14 Tage frei, machen wieder zehn Tage am Stück. Aber das sind ganz besondere Leute, die das akzeptieren.

Wenn man trotzdem nachts arbeiten muss, gibt es Verhaltensweisen, die das erträglicher für die Gesundheit machen?

Das Wichtigste ist, dass man ausreichend Schlaf hat. Vier bis fünf Stunden sollten nicht unterschritten werden. Ein stiller und dunkler Raum hilft dabei. Außerdem sollten Nachtarbeiter*innen ab 3 Uhr morgens keinen koffeinhaltigen Kaffee mehr trinken und auch nicht mit leerem Magen nach Hause kommen, sondern im letzten Drittel der Nachtschicht noch etwas essen und ausreichend trinken. Zudem ist es wichtig, für einen Ausgleichssport zu sorgen – auch wenn man nachts arbeitet.