Natalie Bornholdt eröffnete 2020 ihre eigene Hebammen-Praxis in Niedernhall, Maren Reinhardt will es ihr 2023 gleichtun. Im Interview sprechen sie von der Leidenschaft für die Geburtshilfe und was sie sich für den Berufsstand wünschen würden.
Erklären Sie dem Laien, warum zwei Hebammen in Niedernhall nicht eine zu viel sind?
Maren Reinhardt: Zunächst bin ich froh, dass Natalie und ich uns so gut ergänzen und ich in ihr jemanden habe, in deren Hände ich meine Frauen beruhigt vertretungsweise abgeben kann. Ich bin erst seit September freiberuflich tätig, aber ich kann schon jetzt sagen, dass ich unheimlich viele Anfragen bekomme und gar nicht alle annehmen kann. Und das geht anderen genauso. Es gibt immer noch Frauen, die leider keine Hebamme finden.
Natalie Bornholdt: Die Region ist groß, die Anfragen kommen aus dem Jagsttal über Öhringen bis fast nach Schwäbisch Hall, und unser Tag hat auch nur 24 Stunden. Wir beide arbeiten noch in der Geburtshilfe im Krankenhaus, und eine Betreuung braucht einfach Zeit. Deshalb bin ich froh, dass Maren und ich hier fast zeitgleich zusammen gestartet sind. Auch eine Hebamme braucht mal Urlaub. Es ist schön, jemanden zu Rate ziehen zu können.
Wieso sind Sie Hebamme geworden?
Bornholdt: Ich bin nach dem Abi ins Ausland, nach Madrid. Dort ist meine Au-Pair-Mutter schwanger geworden, und ich habe das mitverfolgt. Generell hat mich der medizinische Bereich gereizt, ich habe immer schon gerne Krankenhaus-Serien wie „Emergency Room“ oder „Grey’s Anatomy“ geschaut (lacht). Aber ein Medizinstudium war nicht mein Ding. Der Hebammen-Beruf hat mich dann sofort gepackt. Das ist nicht nur ein Beruf, man wächst da rein und ist dann die Hebamme.
Reinhardt: Mir war das schon als Kind klar. In jedem Freundebuch, wo der Berufswunsch ausgefüllt werden konnte, steht bei mir „Hebamme“. Ich habe dann allerdings eine Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen gemacht. Das war ganz gut, ich war noch etwas zu jung für die Hebammen-Ausbildung. Als dann in Heilbronn die Ausbildung angeboten wurde und ich wusste, dass ich auch nicht so weit weg fahren muss von daheim, war für mich klar, dass ich es probieren möchte.

Jeder Beruf hat etwas, das man nicht so gerne macht, was ist das bei Ihnen?
Reinhardt: Ganz viele freiberufliche Hebammen würden hier bestimmt die Büroarbeit nennen, das ist bei mir nicht so. Hier profitiere ich von meinem vorherigen Beruf. Bei mir ist es eher die Schichtarbeit im Krankenhaus. Vor allem die Nachtdienste bringen mich aus dem Rhythmus. Im freiberuflichen Bereich fällt mir nichts ein, das ich nicht gerne mache. Man muss einfach mit dem Herzen dabei sein und das nicht nur als Beruf sehen.
Bornholdt: Bei mir ist es definitiv die Büroarbeit, die könnte ich sofort an Maren abgeben. Ich bin lieber praktisch unterwegs. Es kann aber auch schrecklich sein, nicht jeder Frau gerecht werden zu können. Das zerreißt einen und macht mürbe. Wir sind noch weit weg von einer 1:1-Betreuung, was für jede Schwangere wichtig wäre. Meist ist nicht einmal die 2:1-Betreuung, von der die Krankenkassen träumen, möglich. Trotz allem sollte man aber noch Spaß haben. Ich weiß immer, warum ich das mache. Man muss dafür brennen.
Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag durch Corona verändert?
Reinhardt: In der Klinik erlebe ich den größten Unterschied. Jeder, der den Kreißsaal betritt, bekommt einen Corona-Abstrich. Wir sind die ganze Zeit mit Maske und in voller Montur drin, nur die werdende Mama darf die Maske abnehmen. Das erschwert die Arbeit, aber blöderweise gewöhnt man sich schon daran (lacht).
Bornholdt: In der Praxis hat sich auch viel verändert. Die Frauen im Kurs sitzen weit auseinander, der Partner ist nicht dabei, man darf sich nicht anfassen, hat die Maske auf, muss alle 20 Minuten lüften. Massagetechniken darf man nicht mehr zeigen, Atemübungen sind verboten. Das müssen die Frauen zu Hause üben. Normalerweise ist so ein Kurs aktiv, jetzt sitzt man meistens rum. Aber ich merke an den Frauen, dass es ihnen wichtig ist, präsent zu sein. Virtuell ist zwar viel möglich, aber es ist etwas anderes, in der Gruppe zu sein. Aber wir müssen da alle gemeinsam und gesund durch.

Was sind denn die beglückendsten Momente in Ihrer Arbeit?
Bornholdt: Wenn alles gut geht. Oder auch die Fortschritte, die man bei den Frauen über die Zeit sieht. Das ist ja wie eine kleine Ausbildung – von schwanger sein zu Mama werden. Und wenn die Geburt vorbei ist, das Baby da ist, das ist immer so ein Moment, als ob Feenstaub in der Luft liegt. Einfach zauberhaft.
Reinhardt: Es sind so viele kleine Momente. Ich mache viel Vorsorge zu Hause und da erlebt man, gerade jetzt, wo die Papas nicht mit zum Frauenarzt dürfen, dass sie extra früher von der Arbeit nach Hause kommen, um die Herztöne ihres Babys zu hören. Die dann großen Augen der Eltern, vielleicht sogar ein paar Freudentränen, das sind tolle Momente. Aber auch, wenn ich meinen Abschlusstermin mache, mich glückliche Eltern mit ihrem Baby im Arm empfangen und ich nichts mehr tun muss, das ist beglückend.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was wäre das?
Reinhardt: Für mich persönlich steht ja das große Projekt Praxiseröffnung an, da wünsche ich mir natürlich, dass alles gut läuft und rechtzeitig fertig wird. Allgemein für den Hebammenberuf wünsche ich mir, dass wir es irgendwann schaffen, mehr Unterstützung zu bekommen – und mehr Personal.
Borndholdt: Ja, da müssen wir ganz laut wünschen. Ich würde mir aber am liebsten Corona wegwünschen. Damit man wieder unbeschwerter auf Menschen zugehen und zusammenkommen kann. Für die Gesundheitsberufe im Krankenhaus allgemein wünsche ich mir, dass wir nicht zu Tode gespart werden. Fallpauschalen und dass Krankenhäuser wirtschaftlich denken müssen, das macht vieles kaputt und ist oft nicht realistisch umsetzbar.
Macht es Ihnen Hoffnung, dass sich mit Corona und der dadurch größeren Aufmerksamkeit für die Gesundheitsberufe etwas ändern könnte?
Bornholdt: Die Hoffnung stirbt ja zuletzt. Ich fühle mich von den Frauen und Familien, die ich betreue, wahrgenommen. Aber ich glaube, dass die Geburtshilfe zu wenig Geld und Prestige bringt, als dass sich die Politik damit ernsthaft beschäftigt. Wir bräuchten einen rhetorisch versierten Manager aus der Wirtschaft als Fürsprecher, der sich mit dem gleichen Elan für uns einsetzt wie für ein Unternehmen. Wir tun uns, glaube ich, schwer, uns in dieser Welt gut zu verkaufen. Viele Gesundheitsberufe streiken auch nicht, weil sie wissen, dass die Kollegen oder die Patienten leiden.
Reinhardt: Da gibt es nichts hinzuzufügen.