Seit knapp 20 Jahren ist Katrin Stapelfeldt Richterin am Arbeitsgericht in Heilbronn. Jede Woche haben ihre Kollegen und sie es mit Streitigkeiten zu tun, die aufgrund von Arbeitszeugnissen entstehen. Im Gespräch mit Christoph Feil erklärt die 49-Jährige, wie eine korrekte Bewertung auszusehen hat. Und was auf gar keinen Fall drinstehen sollte.

Arbeitszeugnis ist nicht gleich Arbeitszeugnis. Welche Arten gibt es?
Katrin Stapelfeldt: Es gibt zum einen das einfache Zeugnis und zum zweiten das qualifizierte Zeugnis.
Und was kann man sich darunter vorstellen?
Stapelfeldt: Das einfache Zeugnis stellt eine Bestätigung dar, von wann bis wann der Mitarbeiter als was tätig war. Also wenn Arbeitsverhältnisse sehr kurz gedauert haben nimmt man zum Beispiel dieses Zeugnis. Und das qualifizierte Zeugnis hat zwei Teile. Zum einen die Tätigkeitsbeschreibung wie beim einfachen Zeugnis. Dann kommt aber noch die Beurteilung der Führung – also des Verhaltens gegenüber Vorgesetzten, Kollegen, Kunden, was auch immer – und der Leistung dazu.
Was hat im Zeugnis nichts zu suchen?
Stapelfeldt: Unwahrheiten dürfen natürlich nicht drinstehen. So ein Zeugnis muss wahrheitsgemäß sein. Und es muss förderlich sein. Was auch keinen Eingang finden sollte, sind einmalige Vorfälle, die nicht prägend waren.
Also wenn man beispielsweise einmal eine Abmahnung bekommen hat?
Stapelfeldt: Zum Beispiel, ja.
Wann kann man eigentlich ein Arbeitszeugnis einfordern?
Stapelfeldt: Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbstverständlich ein Beendigungszeugnis. Und ich kann auch bei Bedarf ein Zwischenzeugnis einfordern. Zum Beispiel wenn ein Vorgesetztenwechsel stattfindet oder ich versetzt werde in eine ganz andere Abteilung oder auch wenn ich vorhabe, mich anderweitig zu bewerben – das sind alles so Positionen, wo ein Zwischenzeugnis sicherlich Sinn macht.
Wie schnell muss das der Arbeitgeber liefern?
Stapelfeldt: Da gibt’s keine Fristen im Gesetz.
Förderlich und wahrheitsgemäß soll ein Zeugnis sein. Schränkt das nicht den Rahmen des Arbeitgebers ein?
Stapelfeldt: Anspruch und Wirklichkeit beim Zeugnis gehen sehr weit auseinander. Häufig wird ja das Arbeitsverhältnis deshalb beendet, weil der Arbeitgeber eben nicht zufrieden ist. Und wenn er nicht zufrieden ist, dann wird er die Leistung auch dementsprechend beurteilen wollen. Ob das dann gerechtfertigt ist oder nicht, das mag ein Dritter auch häufig wieder anders sehen. Hier ist einfach ein Spannungsfeld, das muss man klar erkennen.
Angenommen, man ist nicht mit seiner Beurteilung zufrieden: Wer hilft?
Stapelfeldt: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Man kann zum Rechtsanwalt gehen. Man kann, wenn man Gewerkschaftsmitglied ist, zur Gewerkschaft gehen. Und ansonsten, wenn ich weiß, mein Zeugnis ist an der Stelle unvollständig, das fehlt, das möchte ich drin haben, kann ich auf die Rechtsantragstelle (beim Arbeitsgericht, Anm. d. Redaktion) gehen und das dem dortigen Rechtspfleger sagen. Der nimmt das dann auf.

Und was ist bei einem solchen Antrag auf Abänderung zu berücksichtigen?
Stapelfeldt: Da muss man dann die Textpassagen, die man abgeändert haben will, entsprechend umformulieren. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass die Formulierungshoheit des Zeugnisses beim Arbeitgeber liegt. Also wenn der Arbeitgeber hier einen schlechten sprachlichen Stil hat oder der Arbeitnehmer das gerne anders formuliert haben möchte, wird das sicherlich nicht zu einer Abänderung durch Urteil führen. Die kann nur erfolgen, wenn das Zeugnis zum Beispiel nicht vollständig oder nicht wahrheitsgemäß ist. Wenn also wesentliche Aspekte meiner ausgeübten Tätigkeit im Zeugnis nicht erwähnt werden, kann ich klagen, dass das ergänzt wird.
Der Arbeitnehmer findet seine Leistung gut, der Arbeitgeber nicht. Wie geht das Gericht vor?
Stapelfeldt: Geschuldet wird eine Arbeitsleistung sogenannter mittlerer Art und Güte. Das ist ein Terminus technicus beim Juristen. Der Schulbenotung entspricht das der Drei. Die Rechtsprechung sagt: Der, der von dieser Drei abweichen will, muss es darlegen und beweisen. Wenn der Arbeitgeber nach unten abweichen will, trägt er die Darlegungs- und Beweislast. Und wenn der Arbeitnehmer nach oben abweichen will, muss er es beweisen.
Gibt es eigentlich die Zeugniscodes, von denen immer wieder zu lesen ist?
Stapelfeldt: Ja, selbstverständlich. Es gibt natürlich die Notenskala. Und alleine die könnte man als Code bezeichnen. Denn ein Nichtjurist käme vielleicht gar nicht auf die Idee, wenn da steht „erledigte die Aufgaben zur Zufriedenheit“, dass das ein Signal für eine äußerst unterdurchschnittliche Leistung ist.
Was ist mit versteckten Umschreibungen für beispielsweise: Er ist ein Grapscher, sie eine Tratschtante?
Stapelfeldt: Da muss man in der Tat aufpassen, dass das Ganze nicht paranoid wird. Da hilft nur eines: Man muss den Zeugnistext auch im Gesamten sehen. Es kann sicherlich die eine oder andere Formulierung, wenn man sie aus dem Gesamtzusammenhang reißt, komisch wirken. Und wenn man sie im Zusammenhang liest, dann wieder nicht. Das kommt auf den Einzelfall an. Aber ein Beispiel. Was ein Zeugnis wirklich nicht enthalten sollte: Er war stets bemüht.
Die Notenskala
Note 1: Der Mitarbeiter hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt.
Note 2: Der Mitarbeiter hat die ihm übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.
Note 3: Der Mitarbeiter hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt.
Note 4: Der Mitarbeiter hat die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erledigt.
Note 5: Der Mitarbeiter hat die ihm übertragenen Aufgaben im Allgemeinen zu unserer Zufriedenheit erledigt.
Note 6: Der Mitarbeiter bemühte sich, unseren Anforderungen zu entsprechen.
Beitrag von Christoph Feil