Wie kam es zum Mord, zum Missbrauch, zum Betrug? „Der Ermittler will die Wahrheit erfahren“, sagt Elisabeth Unger-Schnell. Die Heilbronner Strafverteidigerin wiederum will in einem Prozess das Beste für ihre Mandant*innen rausholen. Ein Gespräch über die Bedeutung von Geständnissen.
Frau Unger-Schnell, welche Verdächtigen wollen reden, welche eher nicht?
Elisabeth Unger-Schnell: Es gibt Verdächtigte, die gerne alles erzählen wollen. Und es gibt solche, die am Anfang auch mir gegenüber schweigen. Man kann nicht sagen, wer dieses oder jenes Delikt verübt hat, spricht eher. Vielleicht nur bei Betrugsfällen, diese Menschen sind öfter extrovertierter. Bei Tötungsdelikten sind Betroffene oft auch so schockiert über die Tat, dass sie selbst erst mal nicht darüber sprechen können.
Wann fragen Sie, ob er oder sie es tatsächlich getan hat?
Unger-Schnell: Da muss ich klar sagen, wenn meine Mandant*innen im Prozess geständig sein wollen, dann ist es von elementarer Bedeutung, dass ich als Anwältin weiß, wie es abgelaufen ist, dann will ich das schon genau wissen. Denn man muss die Handlungsabläufe ja überprüfen können. Wenn sie es aber bestreitet, dann lasse ich das so stehen. Dann ist das eben so.
Interessiert Sie das persönlich nicht?
Unger-Schnell: Das hat nichts mit persönlichem Interesse zu tun. Meine Aufgabe ist es, den Mandant*innen zu sagen, nach Aktenlage ist eine Verurteilung wahrscheinlich oder ein Freispruch – und dahingehend zu beraten.
Welchen Unterschied macht es für Ihre Arbeit, ob er oder sie gesteht?
Unger-Schnell: Bei einem Geständnis versucht man im Prozess darum zu kämpfen, dass sich die Höhe des Strafmaßes in einem Bereich bewegt, mit dem die Betroffenen zufrieden sind. Wenn die Tat bestritten wird und die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung gegeben ist, weil man ausreichende Beweise hat, dann muss man das den Mandant*innen klar sagen. Dann können sowohl Mandant*in als auch ich entscheiden, ob wir diesen Prozess gemeinsam fortführen.
Dann bewegen Sie niemanden dazu, ein Verbrechen zuzugeben?
Unger-Schnell: Nein, nicht unbedingt. Es gibt ja nicht nur Geständnis oder Bestreiten. Es gibt auch die Variante, dass Angeklagte den ganzen Prozess über schweigen. Viele denken ja, wenn ich schweige, bin ich schon schuldig. Nein. Ein Schweigen darf nicht zum Nachteil gewertet werden. Ich kämpfe generell für ein faires Verfahren.
Wie läuft ein polizeiliches Verhör ab?
Unger-Schnell: Naja, die Ermittler*innen wollen den Sachverhalt aufdecken und die Wahrheit erfahren. Da ist es schon so, dass Druck ausgeübt werden kann. Nicht von allen Ermittlern*innen. Aber ich habe von Mandant*innen schon erfahren, dass gesagt wird: „Die Beweislage ist ja klar. Wenn sie noch etwas Gutes für ihr Verfahren tun möchten, wäre es doch sinnvoll, dass sie Angaben machen. Das ist nur zu ihrem Vorteil.“ Dass Ermittler*innen es also attraktiver erscheinen lassen, dass man gesteht. Es gibt viele Nuancen, wie man das transportieren kann. Das bewegt sich noch nicht in einem verbotenen Bereich, solange nicht getäuscht wird.
Und wenn immer mehr Druck aufgebaut wird?
Unger-Schnell: Dann würde ich beispielsweise einschreiten und sagen, dass man die Vernehmung in einem sachlichen Ton weiterführt. Unabhängig davon, passe ich auch auf, was ins Vernehmungsprotokoll geschrieben wird. Dass also die Formulierungen meiner Mandant*innen darin so wiedergegeben werden, wie sie auch gemeint waren.
Was glauben Sie, wie fühlen sich Menschen nach einem Geständnis?
Unger-Schnell: Erleichtert, würde ich sagen. Dass sie sich dazu bekennen, dass sie sich das von der Seele gesprochen haben. Möglicherweise wollen sie durch ein Geständnis die Tat nicht entschuldbarer aber nachvollziehbar machen, auch menschlicher gesehen werden. Und wenn etwa ein*e Kindsmörder*in schildert, weshalb es zu dieser Tat kam, dann kann es bei dieser Person dadurch auch zur Verarbeitung kommen.
Sie haben auch ein Kind. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie hören, wie eine Mutter einen Kindsmord schildert?
Unger-Schnell: Ich sehe ja den Mandant*innen immer in Gänze, ich sehe nicht nur das Delikt. Ich lerne sie mit der Zeit auch kennen und sehe sie nicht nur an ein, zwei Prozesstagen wie die Öffentlichkeit. Und meine persönliche Einstellung ist, wenn ich Strafverteidigerin sein will, muss ich jedes Delikt verteidigen können. Ich kann nicht sagen, ich verteidige nur Betrüger*innen.
Begegnet Ihnen auch Reue?
Unger Schnell: Ja. Wenn ein Geständnis abgelegt wird, ist das ein Kriterium bei der Strafzumessung. Dann sagt man, dass das ein Ausdruck von Reue und Einsicht ist.
Es kann auch nur Taktik sein, weil die Beweislast sowieso erdrückend ist.
Unger-Schnell: Ja. Es kommt natürlich auf die Form des Geständnisses an. Wenn ein Formalgeständnis abgelegt wird – also beispielsweise nur ein Satz: Ich räume die Tat ein – dann kommt damit natürlich wenig Reue und Einsicht zum Ausdruck. Wenn aber jemand darüber hinaus Angaben macht und die genauen Hintergründe und die Motivation darlegt, dann ist das schon ein Ausdruck von Reue und Einsicht, den das Gericht auch zur Kenntnis nimmt und der entsprechend ins Strafmaß mit einfließt.