Das Arbeitsrecht ist kompliziert. Es wird nicht nur durch Gesetze, sondern auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen bestimmt. Oft machen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber falsche Vorstellungen. In ihrer aktuellen Mai-Ausgabe klärt die Zeitschrift Finanztest über häufige Irrtümer auf.

1 Beim Vorstellungsgespräch muss ich immer die Wahrheit sagen
Nein. Die Privat- und Intimsphäre geht den Arbeitgeber nichts an. Auf die Frage nach einem Partner, Heiratsplänen oder einem Kinderwunsch dürfen und sollten Bewerber so antworten, wie die Chefs es gern hören möchte. Das Gleiche gilt für Fragen nach Konfession, Partei- oder Gewerkschaftsmitgliedschaft sowie Gesundheitszustand.
2 Ein Arbeitsvertrag muss immer schriftlich geschlossen werden
Nein. Ein Arbeitsvertrag oder Änderungen eines solchen können auch mündlich, per Handschlag oder sogar stillschweigend durch die Aufnahme der Tätigkeit geschlossen werden.
3 In der Probezeit kann mir jederzeit und fristlos gekündigt werden
Nein. In der Regel beträgt die Kündigungsfrist in der Probezeit zwei Wochen. Einen Grund für die Probezeitkündigung muss der Arbeitgeber aber nicht nennen.
4 In der Probezeit darf ich keinen Urlaub nehmen
Falsch. Es gibt keine Urlaubssperre in der Probezeit. Mit jedem Monat Beschäftigung erwirbt der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch in Höhe eines Zwölftels des Jahresurlaubs.
5 Ein Arbeitsvertrag darf höchstens auf zwei Jahre befristet werden
Das stimmt nicht ganz. Nur ohne Begründung befristete Verträge dürfen nicht mehr als zwei Jahre laufen.
6 Ich darf niemandem sagen, wie viel ich verdiene
Doch, über das Gehalt zu sprechen, ist erlaubt. Eine Anweisung von Vorgesetzten, über den Verdienst zu schweigen, ist unzulässig.
7 Mein Chef darf bestimmen, wann ich Urlaub machen kann
Das ist falsch. Urlaub darf nur ablehnt werden, wenn dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Wollen mehrere Kollegen zur selben Zeit Urlaub nehmen, müssen Chefs sozial entscheiden. In den Schulferien haben in der Regel Mitarbeiter mit schulpflichtigen Kindern Vorrang.
8 Wenn ich krankgeschrieben bin, darf ich das Haus nicht verlassen
Doch, wenn es der Heilung dient, soll man sogar. Man kann auch in den Urlaub fahren, zum Beispiel ans Meer bei Atemwegserkrankungen. Verboten ist nur, was der Genesung schadet.
9 Ich kann Resturlaub mit ins neue Jahr nehmen
Das Bundesurlaubsgesetz erlaubt einen Übertrag von Urlaub aufs nächste Jahr nur, wenn Mitarbeiter aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht in den Urlaub gehen konnten.
10 Überstunden sind pauschal mit dem Lohn abgegolten
Klauseln im Arbeitsvertrag, wonach Überstunden grundsätzlich nicht extra bezahlt werden, sind regelmäßig unwirksam. Dasselbe gilt für Klauseln wie „übliche Überstunden“, „Überstunden in geringfügigem Umfang“ oder „in angemessenem Rahmen“.
11 In meinem Büro kann ich schalten und walten, wie ich will
Nein, kraft seines Direktionsrechts bestimmt der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen. Für Mitarbeiter mit Kundenkontakt sind auch Regeln für die Kleidung zulässig. Chefs müssen ihr Weisungsrecht aber nach „billigem Ermessen“ ausüben.
12 Bei der Arbeit darf ich nicht privat im Internet surfen
Oft stimmt das nicht. Viele Arbeitgeber erlauben die gelegentliche private Nutzung des Internets. Übertreiben dürfte man aber nicht. Nur mit ein paar Minuten pro Tag ist man auf der sicheren Seite.
13 Ich muss ins Homeoffice, wenn der Chef das will
Chefs dürfen auch bei Infektionsgefahr nicht zu Homeoffice verpflichten. Einzige Ausnahme: Schon im Arbeitsvertrag ist die Pflicht zur Heimarbeit vereinbart. Klar ist: Wenn das Gesundheitsamt oder die Landesregierung den Betrieb auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes verbieten oder schließen, dann ist es damit vorbei. Man bekommt dann entweder Lohn oder Kurzarbeitergeld. Im Einzelfall kann man nach Treu und Glauben zur Heimarbeit verpflichtet sein. Umgekehrt gilt aber auch: Als Arbeitnehmer hat man kein Recht auf Heimarbeit, solange es nicht im Einzelfall vereinbart ist. Allerdings: Viele Unternehmen fördern inzwischen Heimarbeit.
14 Mein Chef muss mich vor einer Kündigung dreimal abmahnen
Nein, so eine Regel gibt es nicht. Manchmal braucht ein Arbeitgeber sogar überhaupt keine Abmahnung, um einem Angestellten zu kündigen. Aber der Reihe nach. Verhält sich ein Arbeitnehmer vertragswidrig, kann der Arbeitgeber mit Kündigung im Wiederholungsfall drohen. Manches Verhalten kann auch ohne Abmahnung direkt zur Kündigung führen. Wer zum Beispiel Firmeneigentum entwendet, kann in der Regel ohne Vorwarnung vor die Tür gesetzt werden.
Beitrag von Heilbronner Stimme