Nein – ein einfaches Wort. Und dennoch fällt es vielen Menschen schwer, es über die Lippen zu bringen. Warum ist das so? Das beantwortet Businesscoach Ulrike Raichle-Claas im Interview. Die 56-Jährige kommt ursprünglich aus Leingarten bei Heilbronn und ist ausgebildete Systemische Coachin sowie European Business Coach.
Wann haben Sie zuletzt Nein gesagt?
Ulrike Raichle-Claas: Das war direkt heute morgen. Als ich gefragt wurde, ob ich für nächste Woche einen Termin übernehme.
Fällt Ihnen das Nein Sagen schwer?
Raichle-Claas: Meistens nicht, weil ich mir vorher viele Gedanken mache. Im Privaten fällt es mir aber manchmal schon schwer. Wenn ich gerne würde, aber nicht kann – bei einem Umzug helfen zum Beispiel.
Mit der Ablehnung sind Ängste verbunden
Warum fällt uns denn das Nein Sagen oft so schwer? Kommt es, wie bei vielen Dingen, auf das richtige Mindset an?
Raichle-Claas: Es sind Ängste damit verbunden. Man hat Angst, andere vor den Kopf zu stoßen. Wir sind soziale Wesen und wollen nicht ausgeschlossen werden. Im Beruflichen steht der andere häufig hierarchisch über mir. Die Konsequenzen sind teilweise nicht vorhersehbar.
Wo kann ich denn mit dem Nein anfangen?
Raichle-Claas: Der erste Schritt ist das Erkennen. Dann kann man aktiv werden. Das Nein Sagen hat immer etwas mit Perspektiven zu tun. Ein Nein hat Vorteile und Chancen. Wenn ich mir das bewusst mache, dann wird es leichter. Es muss geübt werden – und man fällt, wie beim Laufen Lernen, auch mal hin.
Das Nein braucht keine Begründung
Das Wort ist sogar ein vollständiger Satz und braucht keine Begründung. Wie stehen Sie zu der Aussage?
Raichle-Claas: Es braucht in der Regel tatsächlich keine Begründung. Wenn ich das Gefühl habe, ich muss es begründen, dann begründe ich das Nein jedoch. Das ist eine Entscheidung des Aussprechenden. Was wichtig ist: Nicht abschweifen. Die Entscheidung muss stehen und bleiben. Denn ich habe es mir vorher schon schwer genug gemacht und abgewogen.
Es gibt auch Menschen, denen die Ablehnung absolut egal ist.
Raichle-Claas: Darum brauche ich manchmal die vier Buchstaben. Und muss es gegebenenfalls wiederholen. Deshalb muss die Entscheidung schon vorher klar stehen.
Nein im Job – Wann ist der richtige Moment?
Ist es einfacher, gleich zu Beginn eines neuen Jobs Nein zu sagen?
Raichle-Claas: Wir sind alle Gewohnheitstiere. Wenn ich von Beginn an ablehne, wird es zur Gewohnheit. Das braucht immer auch ein wenig Mut.
Nimmt man sich selbst beim Nein Sagen wichtiger?
Raichle-Claas: Ja. Es ist ein Blick zu sich selbst. Wenn ich für mich eine Entscheidung treffe, habe ich mich im Fokus. In manchen Situationen darf ich das durchaus tun: Mich in den Mittelpunkt stellen.
Von Laura Bernert